Allgemein, Musiktheater, überdiesGiuseppe Verdi: Ernani Woche 3

Probenblog: Ernani Woche 3


ERNANI – Das Kostümbild

2. Februar 2018

 

Verdis Ernani ist ein Stück, in dem sich junge Menschen gegen die Generation ihrer Väter auflehnen. Wie in Schillers Räubern schlägt sich Ernani, eigentlich ein Spross aus edlem Hause, als Rebell, Bandit und Outlaw durchs Leben – auf der verzweifelten Suche nach Liebe, Anerkennung und Recht. Carlos, der junge König, schwört von der Jugend ab, wird Kaiser und ordnet sich in die Welt der Väter ein. Silva, Gegenspieler der beiden und wie die beiden anderen auch hinter Elvira her, verkörpert mit Macht und Verbissenheit die Väterwelt.

 

Zwei Welten

Das Kostümbild von Falk Bauer greift diese Oppositionen auf und kreiert zwei Welten – die der Alten und die der Jungen – die durch starke Farbakzente unterschieden sind: Grau für die Alten, Rot für die Jungen. Eine der wichtigsten Inspirationsquellen war die Auseinandersetzung mit der Entstehungszeit des Hernani von Victor Hugo und dem Frankreich des 19. Jahrhunderts.

 

Die Welt Silvas greift die Historie am unmittelbarsten auf: Graue Gehröcke, Westen, Spazierstöcke.


Kostümfigurinen Silva

 

Aber auch die rebellische Welt Ernanis greift auf historische Vorbilder zurück. So erschienen die jungen »Wilden«, unter ihnen zum Beispiel Theophile Gautier, zur Uraufführung des Hernani 1830 in provokant roten Hemden. In diesem Bild kann man Gautier in der linken unteren Ecke sehen:


Uraufführung des Harnani 1830 in Paris

 


Kostümfigurinen Ernani und seine Leute

 

 

Das Rad der Geschichte dreht weiter

Die Kräfte von Revolution und Konterrevolution, von Neuaufbruch und Rückkehr zum Alten sind ständig am Werk, treiben sich gegenseitig an. Der Blick auf die Geschichte Frankreichs im 19. Jahrhundert zeigt das sehr eindrücklich. Vereinfacht gesagt folgt einer Revolution stets eine Restaurationsbewegung und einer Restauration wiederum eine Revolution. Dieser Gedanke zieht sich fort und findet in den Studentenunruhen der Jahre um 1968 seine Fortsetzung. Das Rad der Geschichte dreht weiter und auch das wird im Kostümbild zu Ernani sichtbar. So gibt es auch eine jeweils leicht abgewandelte »moderne Version« der beiden Welten.

 

 

Fahnen

Für ein weiteres Bildelement stand die Historie Pate: Flaggen sind unmittelbarer, plakativer und auf ein Symbol zusammengedrängter Ausdruck einer Gesinnung. In Frankreich ist es die Trikolore, die blau-rot-weiße Fahne, die schon die Revolutionäre 1789 schwangen, um damit die Lilie der Bourbonen-Könige zu vertreiben. Beide Fahnen, die Trikolore und die Bourbonen-Fahne, kommen in Ernani zum Einsatz. Sinnbildlich für die rückwärtsgewandte, restaurative Einstellung Silvas hüllt er sich in die Bourbonen-Fahne des alten Königtums. Der junge König Carols, der einen neuen Anfang schaffen möchte, hält die Fahne der Republik – bzw. die Fahne des Bürger-Königs – dagegen.

 


Fahne des bourbonischen Königshauses mit Lilie

 


Fahne der Republik bzw. des französischen Bürgerkönigs Louis Philippe (1830)

 

cd

 

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Falk Bauer
Kostümbildner

Falk Bauer, geboren in Stuttgart, begann seine Laufbahn nach einem Kostümdesign-Studium in Hamburg als Assistent am Thalia Theater. Seit 1994 ist er als freischaffender Kostümbildner im Bereich Oper und Schauspiel tätig. Er arbeitet u.a. mit Regisseuren wie Sven-Eric Bechtolf, Dieter Giesing, Amélie Niermeyer, Niels-Peter Rudolph, Joachim Schlömer, Nikolaus Lehnhoff, Robert Carsen und Yona Kim. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit Günter Krämer, für dessen Salzburger Festspiel-Inszenierungen Die Liebe der Danae und Mitridate, re di Ponto er die Kostüme gestaltete. Weitere Arbeiten führten Falk Bauer u.a. an das Nationaltheater Mannheim (Lucio Silla, Alessandro, La Clemenza di Tito, Temistocle und Der Iditot), die Wiener Staatsoper, die Dresdner Semperoper, die Deutsche Oper Berlin und die Opéra National de Paris, das Schauspielhaus Zürich und das Akademietheater in Wien. Zusammen mit Robert Carsen entstanden Arbeiten, die auf zahlreichen Bühnen in Europa und Nordamerika gezeigt wurden: Ariadne auf Naxos in Berlin, München und Kopenhagen, Dialogues des Carmélites u.a. in Amsterdam, London, Madrid, Chicago und Toronto. Für die Uraufführung Benjamin – Musiktheater in sieben Stationen von Peter Ruzicka und Yona Kim (Libretto und Regie) an der Hamburgischen Staatsoper im Juni 2018 gestaltet Falk Bauer das Kostümbild.