Allgemein, Mitsingen, Musiktheater, überdiesDie Krönung der Poppea

Die Krönung der Poppea

Der Mannheimer Monteverdi-Zyklus geht in die zweite Runde

 

Nachdem Monteverdis Heimkehr des Odysseus in der vergangenen Spielzeit sein Publikum im Sturm erobert hat, wird der Monteverdi-Zyklus in dieser Saison mit dem Alterswerk Die Krönung der Poppea fortgesetzt. Diese Oper ist nicht nur eines der erfolgreichsten und beliebtesten Werke Monteverdis; sie ist auch voller Überraschungen und Rätsel. Ihre Helden sind nicht etwa Sympathie-Träger wie Odysseus und Penelope – sondern genau genommen deren glattes Gegenteil.

 

Nero und Poppea – der Sieg der Liebe über die Moral?

Im Mittelpunkt stehen mit Kaiser Nero und seiner Geliebten Poppea zwei der gefürchtetsten und zugleich schillerndsten Gestalten der römischen Antike. Ist Nero, ein Muttermörder, der Rom anzündet und dann die Christen dafür verantwortlich macht, ein kaltblütiger Machtmensch, der seine Frau Ottavia töten lässt, um die Kurtisane Poppea heiraten zu können – oder doch eigentlich ein Künstler, eine weiche Seele, die allein der Zwang entstellte, die Geschicke eines Weltreiches leiten zu müssen? Als Claudio Monteverdi 1643, in seinem letzten Lebensjahr, die Poppea schrieb, mag ihn genau diese Zweideutigkeit fasziniert haben. Die Geschichte Roms war im Venedig des 17. Jahrhunderts in aller Munde, nicht zuletzt weil sich die venezianische Republik als legitime Nachfolgerin der einstigen Größe Roms verstand. Nero, seine Mutter Agrippina, seine Ehefrau Ottavia und seine Geliebte Poppea waren ein beliebter Gegenstand der Dichtung und die Schriften des Philosophen Seneca, dem Erzieher Neros, gehörten bereits zum klassischen Kanon. Das Revolutionäre an Monteverdis Alterswerk aber ist, dass hier zum ersten Mal historische Figuren die Opernbühne betreten – und, dass sich die Liebe gegen alle Moral durchsetzt. Auch heute noch ist die Geschichte durchaus schockierend: Nero liebt Poppea und räumt deshalb seine Ehefrau Ottavia aus dem Weg. Weil Seneca gegen dieses Vorgehen protestiert, wird er in den Selbstmord getrieben. Und am Ende triumphiert das mörderische Paar Poppea und Nero mit einer Musik, die auch heute noch die Herzen zum Schmelzen bringt: »Pur ti miro, pur ti godo« – »Nur dich sehe ich, nur du erfreust mich!«. Wenn auch dieses Duett aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von Monteverdi selbst stammt, zählt es doch zu den bekanntesten Stücken der frühen Operngeschichte und hat mindestens die gleiche Ohrwurmqualität wie der Triumphmarsch in Aida oder das »Va pensiero« aus Verdis Nabucco.

 

Panoptikum der Geschichte

Die Rätsel, die die Poppea aufgibt, beginnen schon mit der Frage nach der Fassung. Es existieren verschiedenste und allesamt voneinander abweichende Quellen. Keine ist eine Handschrift von Monteverdi, keine kann man als Urfassung bezeichnen. Wie geht man da vor? Wie erzählt man so eine Geschichte und welche Perspektive wählt man auf die bestürzenden Ereignisse? Das Team um den Regisseur Lorenzo Fioroni und den musikalischen Leiter und Chef des Spezialensembles »il Gusto Barocco« Jörg Halubek hat sich genau das zum Thema gemacht: die Offenheit, die Zweideutigkeit, aber auch die Freiheit, die man als Interpret mit dieser Musik hat. Es wurde eine Fassung erstellt, die die Handlung nicht wie eine glatte »Sex and Crime-Story« durcherzählt, sondern die sich eher wie ein Panoptikum der Geschichte versteht. Denn in der Poppea kommt ja einiges zusammen: Es wird eine barocke Weltsicht auf eine antike Geschichte verhandelt, die zugleich aus einer heutigen Perspektive interpretiert wird. Diese Bruchstücke werden in der Bildwelt, die Bühnenbildner Paul Zoller und Kostümbildnerin Sabine Blickenstorfer entworfen haben, sichtbar. Antike Masken treffen auf heutige Gewänder, barocke Kostüme auf römische Haartracht.

Die Bühne selbst steht unter Wasser und eröffnet so ein ganzes Spektrum an Assoziationsräumen, von der Unterwelt über den Lethe-Fluss bis hin zur auf Wasser gebauten Stadt Venedig.

 

Barocke Klänge

Als Poppea wird die junge Sopranistin Nikola Hillebrand ihr gespannt erwartetes Debüt geben. Ihr zur Seite steht der norwegische Tenor Magnus Staveland als Kaiser Nero. Er kennt sich bei Monteverdi bestens aus und hat bereits mit Größen wie René Jacobs oder Marc Minkowski zusammengearbeitet. Dank der Unterstützung durch die Baden-Württemberg-Stiftung ist auch das Barock-Ensemble »il Gusto Barocco« wieder mit von der Partie, das mit seinen historischen Instrumenten für den spezifischen Monteverdi-Klang sorgt. Und eine weitere Besonderheit erwartet das Publikum: Erstmals wird eine Opern-Neuinszenierung gemeinsam mit dem 2017 gegründeten Alphabet-Chor realisiert. Achtzig begeisterte Laien-Sängerinnen und Sänger singen eigens für sie arrangierte barocke Chorstücke und geben als Volkschor am Hof Kaiser Neros ihr Bühnendebüt am NTM.

 

Cordula Demattio