Allgemein, Musiktheater, überdiesDie Meistersinger von Nürnberg. Ein Probeneinblick

Die Meistersinger von Nürnberg – Ein Probeneinblick

Achtzig Mann, eine Bühne

01.10.2018

Sängerwettstreit am Montag Morgen

Es ist Montagmorgen. Die rund 80 Sängerinnen und Sänger des Nationaltheater-Chores sowie des Extrachors finden sich zur Probe auf der großen Bühne ein.

Es ist die 3. Probe auf der Hauptbühne und auf dem Plan steht heute die Mitte der fünften Szene aus dem dritten Akt. Die fünfte Szene ist die letzte Szene der ganzen (langen!) Oper, in der es zu dem finalen Sängerwettstreit zwischen den beiden Bewerbern um die Hand von Eva Pogner kommt: Der alte Beckmesser tritt gegen den jungen Ritter Walther von Stolzing an.

 

Von der Probebühne auf die Hauptbühne

Es ist für die Sänger und Darsteller sehr wichtig, immer wieder auf der Hauptbühne zu proben, da die Wege und Distanzen ganz andere sind als auf der Probebühne. Dadurch, dass der Regisseur sehr viel und sehr genau auf (musikalische) Stichworte inszeniert, gilt es herauszufinden, wie viel Zeit die Darsteller jeweils brauchen, um zu dem gewünschten Zeitpunkt an Ort und Stelle zu sein.

Auch der Gesamtblick auf das Geschehen verändert sich. Die Bühne ist größer, vor allem auch nach hinten tiefer und der Zuschauer hat eine größere Distanz zu dem Geschehen auf der Bühne. Auch die Vielzahl an Sängern und Darstellern wirkt auf der großen Bühne plötzlich viel selbstverständlicher als auf der verhältnismäßig kleinen Probebühne. Außerdem ist auf der Hauptbühne der Einsatz anderer Technik möglich, so können beispielsweise Seilzüge verwendet werden. Die Lehrbuben können nun konkret etwas von oben in Empfang nehmen, weil nun auf der Bühne tatsächlich eine Stange mit dem Seilzug heruntergefahren wird, passgenau zu dem Zeitpunkt wie auch später bei der Aufführung. Auf der Probebühne mussten die Darsteller sich dies noch vorstellen und so tun als ob.

Alles in allem beeinflusst dies die Gesamtwirkung der Inszenierung, die auf einer Bühnenprobe getestet und gegebenenfalls angepasst werden kann.

 

 

Wach auf!

Zu Beginn der Probe bin ich daher sehr gespannt, wie das bisher Geprobte wirken wird. An der Stelle, bei der wir einsteigen, befindet sich das Volk auf der Festwiese, auf der das Vorsingen stattfinden soll. Bei der Ankunft von Hans Sachs wird dieser mit Hochachtung von den Anwesenden begrüßt. Dabei wird ein Text von dem historischen Sachs verwendet, der 1494-1576 als Schuster in Nürnberg gelebt hat und Meisterlieder und Gedichte geschrieben hat. (Für alle Interessenten am Originaltext von dem historischen Hans Sachs: http://www.zeno.org/Literatur/M/Sachs,+Hans/Gedichte/Spruchgedichte+%28Auswahl%29/Die+wittembergisch+nachtigal)

Das von Wagner in das Libretto eingearbeitete Gedicht beginnt mit den Worten „Wach auf!“.

Während die 80 Stimmen des Chors und Extrachrors dies gemeinsam singen, erfasst mich ein Schauer nach dem anderen. Ein anderer Zustand als wach zu sein, ist dabei einfach unmöglich!

Die szenische Arbeit mit so vielen Menschen nimmt viel Zeit in Anspruch. Das vorher Erdachte wird immer detailreicher. Am Ende sind alle erschöpft, aber wieder einmal wurde wichtiges geschafft.

 

Text und Bild: Julia Cantzler