Allgemein, Musiktheater, überdiesDie szenische Ausgestaltung

In den letzten Wochen habe ich in verschiedenen Beiträgen über das neue Stück des Opernstudios Paare berichtet.

Um mehr über die szenische Ausgestaltung zu erfahren, befrage ich den Regisseur Marco Misgaiski.
Als szenische Klammer dient die Idee, dass sich beide Paare – unfähig ihre Probleme allein zu bewältigen – in die Hände eines Paar-Therapeuten (gespielt von einem Schauspieler) begeben. Bei Der gute Ehemann z.B. sprechen sich die Partner schon lange nicht mehr aus. Um sie dazu zubekommen, wieder miteinander zu sprechen, sollen sie, vom Therapeuten angeleitet, in fremde Rollen schlüpfen und das Problem durchspielen: „Rollenspiel und Rollentausch werden in der Kognitiven Verhaltenstherapie häufig angewandt. Das ist gängige Praxis. Zum Beispiel die Familienaufstellung ist ein Ansatz, bei dem man bewusst eine fremde Rolle, eine Stellvertreter-Rolle einnimmt, um aus der veränderten Perspektive einen klareren Blick auf die eigentliche Konfliktlage zu bekommen“. Dieser Inszenierungsansatz findet dadurch auch eine plausible Antwort darauf, warum der Mann abends auf der Straße seine eigene Ehefrau vor dem eigenen Wohnhaus selbst nach heftigstem Körperkontakt nicht erkennt. Nach Maßgabe des Therapeuten darf er sie einfach nicht erkennen. Bei diesem Rollenspiel kommt es dann tatsächlich zum Ausbruch seitens der Frau. Zum ersten Mal spricht sie ihrem Partner gegenüber aus, dass sie eine Gleichstellung wenn nicht sogar eine Besserstellung innerhalb der Ehe erreichen will. „Warum sie das zuvor nie in einem offenen Gespräch geäußert hat, ist die Frage. Das hat sicherlich mit der Stellung der Frau in der damaligen Gesellschaft zu tun.“
Ist das Interesse des Therapeuten an dieser Stelle noch voll darauf gerichtet, dem Paar bei der Konfliktbewältigung behilflich zu sein, so ändert sich das dramatisch bei dem nächsten Paar. Hier wechselt er seine Rolle vom Psychologen hin zum reinen Psychoanalytiker. „Der Therapeut nutzt Judith als Medium, um den vermeintlich kranken Geist von Blaubart zu entschlüsseln. Dabei ist ihm ihre Gesundheit absolut egal – so wie ein Wissenschaftler dem Leben eines Laboraffens einen rein zweckgebundenen Wert beimisst.“ Durch die Fragen von Judith öffnet Blaubart immer weitere Türen seines Geistes, hinter denen sich furchtbares verbirgt. „Die Bühne, der Raum um Blaubart herum, wird zur Projektionsfläche seiner Abgründe.“ In dieser albtraumhaften Szenerie bewegen sich Psychoanalytiker wie Judith gleichermaßen. Bis nur noch Blaubart und Therapeut übrig bleiben. Judith verschwindet. „Das ist ja das Spannende. Wohin verschwindet sie?“
Doch warum der psychologische Rahmen? Ich vermute schon einen Zusammenhang zum Psychologiestudium des Regisseurs, doch er klärt mich auf: „Nein, das ist Zufall. So bekannt und prägend Freuds Ideen bzw. Behauptungen sind, so kritisch werden sie auch in der modernen Psychologie gesehen. Die Idee zu dieser szenischen Klammer liegt in Béla Bartóks Werk begründet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die freudsche Psychoanalyse einen starken Einfluss auf die Kunst. Auch Herzog Blaubarts Burg ist unter diesem Eindruck entstanden.“

 

Regisseur Marco Misgaiski und Kostümbildnerin Martina Klander

 

Am Ende bin ich so neugierig geworden, dass für mich feststeht, dass ich in das Stück gehen muss. Die Premiere ist am 10.02.2019.

 

Text: Julia Cantzler