Allgemein, Musiktheater, überdiesPremiere: Die Meistersinger von Nürnberg

28.10. 2018

Es ist soweit. Nach zehn Wochen Proben kommt die 4 ½-stündige Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ auf die Bühne. Bis zum Schluss wurde noch mit Hochdruck an der Inszenierung, den Requisiten und den Kostümen gearbeitet.

Als ich vor der Vorstellung hinter die Bühne gehe, empfängt mich eine sehr positive, aber auch angespannte Atmosphäre. Es wird sich „toi, toi, toi“ gewünscht und Kleinigkeiten verteilt, die diesen Wunsch humorvoll unterstützen.

Als ich dann Platz nehme, der Saal dunkel wird und Applaus für den hereinkommenden Dirigenten gespendet wird, macht sich in mir Aufregung breit.

Die Ouvertüre umfängt einen mit ihrem majestätischen Klang. Nur kurz wird der Vorhang während der Ouvertüre fälschlicher Weise von David, dem Lehrbuben von Hans Sachs, geöffnet. Das Theatertreiben hinter der Bühne wird sichtbar und Sachs – in der Inszenierung von Nigel Lowery der Theatermacher – zieht ärgerlich und sich beim Publikum entschuldigend den Vorhang wieder zu.

 

Walter, ein Mann aus der Zukunft

Gelächter, gepaart mit Erstaunen macht sich breit, als Eva in der ersten Szene die Ankunft eines Raumschiffs begrüßt. Walter reist in unserer Inszenierung in einem Raumschiff an, denn er kommt aus der Zukunft. Damit verdeutlicht der Regisseur den Kontrast zwischenTradition und Moderne: Ein zentrales Thema der Oper.

Weitere ungewöhnliche Einfälle gibt es in der Szene, in der Walter vorsingt. Beckmesser, der Merker (Gesangs-Richter), nutzt den Souffleurkasten als Merkerstuhl, wofür der Souffleur aus dem Souffleurkasten geworfen wird. Gelächter gab es auch, als der Stuhl für den Vorsingenden  hereingetragen wurde, denn es handelt sich hier um einen winzigen Kinderstuhl.

Walter wird zwar viel Argwohn entgegengebracht, doch können die Meister sich seiner neuartigen Musik nicht verschließen. Sie werden während des Liedes für einen Moment wieder jung und schwelgen in der Musik. Schon ist der erste Akt zuende. Euphorischer Applaus bricht los.

 

Fliederbüsche und ein unaufhörlich klopfender Sachs

Im zweiten Akt lässt Sachs sich den Vortrag von Walter in seinem „Fliedermonolog“ durch den Kopf gehen. Dabei sieht man Fliederbüsche über die Bühne gleiten. Für Gelächter sorgt der Babybusch, der am Ende in der Mitte von zwei Fliederbüschen auftaucht.

Eine weitere Besonderheit dieser Inszenierung ist, dass die ungewöhnliche Harfe, die Beckmesser bei seinem Werbegesang für Eva begleitet, mit auf der Bühne steht. Es gibt eine schöne Spielszene zwischen Beckmesser und der Harfenistin; Sachs stört hierbei kräftig mit den Hammerschlägen auf den Schusterleisten.

Klopfend und singend gehen die beiden durch das Publikum. Das alles geht in die sogenannte Prügelfuge über. Musikalisch und gesanglich eine unglaublich schwierige Szene. Auch von der Technik wird einiges verlangt. So wird es unfreiwillig chaotischer, als beabsichtigt. Das Publikum wird nicht viel davon gemerkt haben, aber ich weiß natürlich, wie es eigentlich gehört. Solche Prozesse schleifen sich glücklicherweise durch die weiteren Vorstellungen ein.

Der Nachtwächter reitet zum Schluss spektakulär auf einem Skelettpferd hoch über die Bühne. Das Bühnenbild entlässt den Zuschauer mit Theater-Schnee in die zweite Pause.

 

Sachs, der Theatermacher

Nun steht der dritte und letzte, aber auch längste Akt der Oper an. Man wird von einem unfertig aussehenden Bühnenbild empfangen.  Zuvor hatte Beckmesser Sachs seinen Mantel und Perücke vor die Füße geworfen.

In dieser Stimmung singt er verdrießlich den „Wahnmonolog“. Dann kommt Walther in einem roten Mantel auf die Bühne, der dem Mantel von Sachs gleicht. Sachs ermuntert ihn, an das Unmögliche zu glauben und stellt dabei Kegel auf den Kopf. Ein bizarres Bild.

 

Ein Beckmesser mit Katzenhaar-Allergie

Aufgelockert wird der dialoggeprägte Akt durch die rein instrumental beginnende 4. Szene, in der Beckmesser auf die Bühne kommt, geplagt von einer Katzenhaar-Allergie. Er entdeckt das Gedicht von Walther, das Sachs zuvor aufgeschrieben hat und möchte es stehlen. Nur wird es von Sachs‘ Katze bewacht. Daraus folgt ein witziger Kampf mit der Katze, der durch die perfekte Bühnenchoreographie viel Gelächter auslöst. Mich freut ganz besonders, dass das Publikum offensichtlich genauso viel Spaß an dieser Szene hat, wie wir in den Proben.

 

Im Folgenden stürmen nun viele weitere Eindrücke auf den Zuschauer ein: Da ist der Chor, der mit Marionetten spielt, ein verruchtes, zwielichtiges Gasthaus, das explodiert und eine aufwändige Kostümparade. Der Ideenreichtum nimmt kein Ende.

 

Der Sängerwettstreit

Dann kommt es zu dem finalen Sängerwettstreit, bei dem Beckmesser des Betrugs überführt wird und Walther mit seinem Preislied gewinnt, wodurch er Eva als Braut und die Meisterehre zugesprochen bekommt. Walther möchte die Meisterehre aber nicht, weil er sich von den Meistern und deren festgefahrenden Tradition distanzieren möchte.

Nach kurzweiligen 5 ½  Stunden bricht mit dem Verklingen des letzten Tons der Schlussapplaus los.

Für mich geht eine erlebnisreiche, lehrreiche und eindrucksvolle Zeit zu Ende. Nun kann man das gelungene Ergebnis auf der Bühne betrachten. Ich möchte jedem ans Herz legen, sich dieses Erlebnis nicht entgehen zu lassen!

 

Text: Julia Cantzler