Allgemein, Musiktheater, überdiesPremiere – il trovatore

Was für ein Abschluss!

Gespannt erwartet das Premierenpublikum den Beginn der Oper. Dass dieses Werk hohe Ansprüche an die Sänger stellt, steht in jedem Opernführer. Ich habe kaum einen Text über die Rezeptionsgeschichte dieser Oper gefunden, in dem das Zitat des berühmten Tenors Enrico Caruso nicht vorkommt: »Eine Aufführung des Trovatore ist ganz einfach. Man braucht nur die vier besten Sänger der Welt!« Dass die Oper auch inszenatorisch eine Herausforderung sein kann, bemerkt man, sobald man versucht, die Handlung beim Durchlesen der Inhaltsangabe zu verstehen. Denn angestoßen wird die verworrene Handlung von Vorkommnissen, die weit in der Vergangenheit liegen und auf der Bühne nicht gezeigt, nur erzählt werden.

Mit einer solchen Erzählung beginnt die erste Szene, und ich erinnere mich an die erste Bühnenprobe zurück. Wo vor wenigen Wochen noch Chorsänger in Jeans und T-Shirts saßen, lungern jetzt Soldaten in abgewetzten Uniformen in ihrem Lager. Um das steife Bein des Hauptmanns darzustellen, hatte man damals einen Gehstock mit Gaffer-Tape an das Bein des Solisten geklebt, heute ist der Stock geblieben, aber es sind Lederriemen, die ihn festhalten. Der Hauptmann erzählt die Geschichte einer alten Zigeunerin, die, als Hexe angeklagt, auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Und mit der Mahnung, ihr Geist würde sich in verschiedenen Gestalten immer noch in der Dunkelheit herumtreiben, wird er nicht ganz Unrecht haben. In der Probe eilte der Regisseur zwischen Zuschauer- und Bühnenraum hin und her, um die Chorsänger in die Benutzung ihrer Taschenlampen einzuweisen, jetzt leuchten sie damit den schwarzen Bühnenraum aus und geben einen Vorgeschmack darauf, was diese Inszenierung an Licht- und vor allem Schattenspiel zu bieten hat.

Während sie versuchen, im Dunkel etwas zu erkennen, ist das Grauen bereits unter ihnen. Das Trauma, die Erinnerung an die schreckliche Vergangenheit, verkörpert von einer Tänzerin, hat sich unter den Podesten in der Bühnenmitte bis zu Hauptmann Ferrando gewunden und ihn befallen. Sie bleibt bei den weiteren Vorgängen auf der Bühne stets präsent, als Erinnerung, die keinen der Charaktere loslässt und ihr Handeln lenkt. So nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Der Troubadour Manrico und Graf Luna lieben beide Leonora und stehen sich auf dem Schlachtfeld eines Bürgerkrieges gegenüber. Dass sie Brüder sind, wissen sie nicht, da Manrico als Kind entführt wurde. Ein Duell im Garten vor Leonoras Balkon wird zum Ausgangspunkt einer verhängnisvollen Verkettung von Ereignissen. Manrico gelingt es, seine Leonora davon abzuhalten, ins Kloster einzutreten und sie vor dem gierigen Graf Luna zu bewahren. Doch als sie gerade ihre Hochzeit vorbereiten, erreicht Manrico die Nachricht, dass seine Mutter Azucena gefangengenommen wurde. Er ruft seine Soldaten zusammen, um sie zu befreien.

Ob dieser Moment mich besonders berührt, weil er mit überwältigender musikalischer Gewalt vorgetragen wird, oder weil ich bereits weiß, dass bald alles schief gehen wird? Wahrscheinlich, weil Verdi es bereits wusste, und in den Aufruf zum Kampf die ängstliche Verzweiflung, die dunkle Vorahnung mit hineinschrieb. Zu Tränen gerührt bin ich dann auch von Leonoras Stimme, als sie ihren verzweifelten Plan zur Rettung ihres geliebten Manrico vor dem Todesurteil ausbreitet. Sie will sich selbst Graf Luna als Preis anbietet und Gift nehmen, um ihrem Versprechen nicht nachkommen zu müssen. Doch der Versuch scheitert und das Todesurteil wird ausgeführt. Und so endet dieses mitreißende Stück ganz plötzlich mit einem fallenden Beil.

Die Begeisterung des Publikums, die schon immer wieder im Zwischenapplaus zum Ausdruck kam, zeigt sich jetzt in tosendem Applaus. Ein fulminanter Abschluss einer turbulenten Probenzeit und einer spannenden Spielzeit.

Im Juli noch drei mal und ab September als erste Wiederaufnahme in der nächsten Spielzeit zu sehen!

 

 

Carlotta Riedelsheimer