Bei diesen Begriffen würde man wohl nicht als erstes an Oper denken –
In dieser Spielzeit läge man damit jedoch gar nicht so falsch,…
Aufnahmen von der Probebühne in Neckarau
…denn am 3. November 2019 feiert der alte Fischer »Peter Grimes« seine Premiere am Nationaltheater Mannheim und da wird auch der ein oder andere Bierkasten zum Einsatz kommen. – Und was wäre ein Pub ohne Bier?
Aber einen Schritt zurück: Vielleicht sollten wir erst einmal klären, um was es in der Oper Peter Grimes eigentlich geht!
Der verstoßene Held
Peter Grimes, Heimatloser in der Heimat, ringt vergeblich um einen Platz in der Dorfgemeinschaft des Örtchens The Borough. In der Hoffnung, Erfolg und Reichtum würden ihm die ersehnte Anerkennung des »boroughs« bringen, geht Grimes auf hoher See jedes Risiko ein, auch wenn es die Leben seiner minderjährigen Lehrlinge in Gefahr bringt.
Grimes wird im Prolog der Oper zu Gericht gerufen: Er trage die Schuld am Tod seines Lehrjungen. Dass der Junge, noch geschwächt und unterernährt aus seiner Zeit im Waisenheim, körperlich nicht in der Lage war, auf Dauer schwere Arbeit zu leisten, bringt Grimes den Freispruch – er verbleibt jedoch als Sündenbock und Kinderschreck des Dorfes.
Außer Ellen, die der Außenseiter eines Tages zu heiraten hofft, besitzt einzig Kapitän Balstrode einen Draht zu ihm. Er legt Grimes nahe, The Borough zu verlassen – dieser verweigert sich jedoch seinem Rat und behauptet selbstsicher, er wüsste, wie er sich die Bestätigung seiner Mitbürger holen könne.
Probeneinblick 23.09.2019 – Montagabend
Und genau an dieser Stelle in der Handlung befindet sich das Team der Produktion, als ich zu spät zur Montagsprobe ins Probezentrum stürze. Tatsächlich hatte ich Glück: Regisseur Markus Dietz gibt Thomas Berau, Sänger des Kapitän Balstrode, gerade eine Einführung in die Charakteristik des Schiffsführers. Er erklärt ihm, wie er sich die Rolle vorstellt und welche Relevanz sie für ihn im Stück hat.
Neben den beiden sind nur noch Regieassistentin Victoria Stevens, Dramaturgin Ruth Zapf und Sänger von Peter Grimes‘ Roy Cornelius Smith anwesend. Dass heute Abend nur wenige Darsteller auf der Probe sind, bedeutet aber nicht, dass in Peter Grimes nur wenige Figuren vorkämen. Tatsächlich sind neben den zahlreichen Solisten auch noch der ganze Opern- und Extrachor beteiligt. Manchmal sind da wirklich viele Menschen gleichzeitig auf der Bühne. Und dann steht da auch noch ein 20-köpfiges Produktionsteam hinter der Bühne. Ganz zu schweigen vom Orchester im Graben. Unglaublich!
Die heutige Probe gibt Gelegenheit, die Szene zwischen Kapitän Balstrode und Peter Grimes in Ruhe auszuprobieren, damit man künftig auf diese Stelle aufbauen kann. Es ist wichtig, dass vor allem die Unterhaltung zwischen Grimes und Balstrode sitzt. Der Zuschauer spürt hier zum ersten Mal, dass Grimes willig ist, um die Bestätigung seiner Mitmenschen zu kämpfen, obgleich sie gerade denken, dass er ein Mörder ist.
Ich finde die Situation sehr aufregend und neu – ich weiß nicht so recht wohin mit mir, also mache ich mich unauffällig auf zu meiner Erkundungstour:
Das erste, was einem ins Auge fällt, wenn man einen Probe-Ort besucht, ist mit Sicherheit das Bühnenbild. Das Szenarium der Bühnenbildnerin Ines Nadler hat mich schon im Konzeptionsgespräch fasziniert: Jetzt jedoch, wo ich es – auch wenn nur die provisorische Probeversion – vor meinen Augen habe, kann ich meine Vorfreude auf die Premiere gar nicht zurückhalten. Ich möchte nicht zu viel vom finalen Bühnenbild verraten, aber Hauptkomponente des Bühnenbilds sind Bierkästen, Stege und ein großes Becken… Was ich aber doch gerne mit euch teilen möchte, sind Eindrücke von der Probebühne, das Bühnenbildmodell und einige Kostümfigurinen von Henrike Bromber:
Bühnenbildmodell und Figurinen
Auf die Bühne, fertig, los!
Das Produktionsteam setzt sich und die Darsteller gehen auf Position:
Als die beiden Sänger beginnen in einer Art geflüstertem melodischen Sprechen zu spielen, bin ich erst verwirrt.
Die Dramaturgin klärt mich jedoch auf: Die musikalische Einstudierung findet natürlich nicht jetzt statt – die Sänger, die lange schon auf das Werk vorbereitet sind, studieren hier hauptsächlich szenische Abläufe ein. Da hier oft Stellen immer und immer wieder geprobt werden müssen, schonen die Sänger ihre Stimme, indem sie den gesungenen Text nur artikuliert mit sprechen.
Die Szene, die gerade erprobt wird, erstreckt sich im Libretto nur über wenige Zeilen – was jedoch nicht bedeutet, dass diese Stelle schnell einstudiert ist. Jede Bewegung muss sitzen, jede Gestikulierung muss eine Bedeutung haben – wenn das Laienauge vielleicht keinen Fehler entdeckt hat, wird der Regisseur noch ein, zwei Sachen finden, die man verbessern kann – und siehe da: Jede unscheinbare und winzige Änderung gibt dem Moment eine ganz andere, intensivere Wirkung als zuvor und verleiht der Szene Kontur und Charakter.
Gerade zum richtigen Zeitpunkt treffen die Korrepetitorin, der Dirigent und die Souffleuse ein. Schnell sind die Partituren aufgeschlagen, der Klavierhocker eingestellt und die Notenständer gerichtet. Die nächste Stunde über werden noch szenische und musikalische Feinheiten ausgebessert. Anders als im Sprechtheater gibt die Souffleuse in der Probe den Sängern jeden Einsatz. Auch die Technik, wie souffliert wird ist anders als im Schauspiel, denn hier werden die Anfänge der musikalischen Phrasen durchgängig laut und stark zeitversetzt vorgerufen. Zum einen hat das den Grund, dass die Souffleuse lauter sein muss als das Orchester oder in dem Fall das Klavier, zum anderen brauchen Sänger mehr Zeit, um die Information mit der gelernten Musik zu verarbeiten und zu verbinden.
21.30 Uhr – der Regisseur ist zufrieden mit dem erbrachten Fortschritt und verabschiedet alle in den Feierabend.
Ein gelungener und sehr aufregender Tag für meinen ersten Probebesuch.
Bis zum nächsten Eintrag!
Lena Stojšić