Allgemein, NTM digitalZuhausebüro [Tagebuch einer unsichtbaren Dramaturgin #2]

Selbstorganisation: die linke Seite des Sofas ist für Arbeit und die rechte ist für den Feierabend, Wärmflasche gegen Sitz-Erkältungen, Gedankenchaos vermeiden. Seit mehreren Tagen arbeite ich im sogenannten „Homeoffice“ – und mit mir sehr viele Menschen auf der ganzen Welt. Wie das aussieht, unterscheidet sich deutlich, das habe ich durch Gespräche, Artikel und Videos herausgefunden.

Bei mir heißt Homeoffice: nach dem Aufstehen und Teekochen – meistens gefolgt von Online-Yogaklasse, aber ehrlich gesagt nicht immer – erwartet mich mindestens eine Digital-Konferenz. Dabei gucke ich in viele Rechtecke mit Gesichtern, finde heraus, dass die gleiche Ansicht je nach Anbieter Galerieansicht oder Rasteransicht heißen kann und versuche gemeinsam mit Anderen in dieser grundsätzlichen Unklarheit möglichst klare Organisationsstrukturen zu finden. Das klappt meistens ganz gut – aber ehrlich gesagt nicht immer. Dabei trage ich seriöse Kleidung – aber zeitweise ehrlich gesagt nur halbseriös, nämlich obenrum. Damit scheine ich nicht allein zu sein, was mich amüsiert: der Einzelhandelskonzern Walmart hat in letzter Zeit viele Oberteile verkauft – aber einen Rückgang in den Verkaufszahlen von Hosen und Röcken festgestellt.

Homeoffice-Realität sieht bei Einigen folgendermaßen aus: Kinder betreuen, Schulunterricht geben und konzentriert arbeiten. Oder: einen Arbeitsplatz in der Garage einrichten, da das vorher genannte Setting sich nicht zu konzentrierter Arbeit eignet. Oder sich aus dem gleichen Grund im Kleiderschrank verstecken, um in Ruhe telefonieren zu können. Oder in einem Häuschen auf dem Land unterzukommen, weil die eigene Küche in der Stadt gerade renoviert wird, aber die Bauarbeiten coronabedingt unterbrochen wurden. Homeoffice kann auch eine neue Art von Nachbarschaftskontakt herausfordern, weil Gesangspartien zu Hause geübt werden. Oder Sprungchoreographien. Dazu gibt es im NTM digital eine eigene Rubrik namens #kuenstlerInimhomeoffice.

Jetzt ist es übrigens Zeit. Meine Wärmflasche ist kalt geworden, meine Gedanken lassen sich nicht mehr so leicht zähmen und ich werde auf die rechte Seite des Sofas wechseln.

PS. Neuerdings habe ich einen realen menschlichen Mitbewohner. Deshalb bekommt die Thymianpflanze weniger Aufmerksamkeit, aber bis jetzt scheint sie das auszuhalten. Vielleicht übt sie sich auch in Selbstorganisation.

(Dorothea Mildenberger arbeitet seit Mitte März am Nationaltheater Mannheim in der Operndramaturgie. Sie wollte eigentlich über Theater und Digitalität schreiben, aber die momentane Arbeitsform hat zu viel Raum eingenommen – nächstes Mal geht es dann darum!)