C. MonteverdiDie Heimkehr des Odysseus

22. April 2017 - 19:00

Die Oper am Nationaltheater Mannheim lädt alle Bewohner der C-Quadrate ein zum Besuch der Vorstellung:

Die Heimkehr des Odysseus
von Claudio Monteverdi
So, 22. April 2017, 19.00 Uhr

Odysseus kehrt nach über zwanzig Jahren nach Hause zurück. Niemand erkennt ihn: Glücksritter bedrängen seine Frau und verprassen sein Geld. Es kommt zum großen Showdown. Prächtige Barockmusik aus Venedig, dargeboten auf historischen Instrumenten.

Besucher des Alphabet Festivals erhalten eine gesonderte Stückeinführung.

Treffpunkt am Tag der Vorstellung:
45 Min vor Beginn im unteren Foyer des Nationaltheaters

 

Mit freundlicher Unterstützung der Baden-Württemberg Stiftung


KURZEINFÜHRUNG

Die »Menschliche Schwäche« stellt sich in einem Prolog als Opfer der Zeit, des unberechenbaren Schicksals und der Liebe dar. Dann wechselt die Handlung nach Ithaka: Odysseus’ Frau Penelope wartet sehnsüchtig auf die Rückkehr ihres Mannes. Sie ist ihm treu geblieben, obwohl eine Schar junger Fürstensöhne sie bedrängt, einen von ihnen zu heiraten. Die Freier verprassen Odysseus’ Hab und Gut und wüten gemeinsam mit ihrem verfressenen Begleiter Iro gegen Penelopes Sohn Telemach und den treuen Hirten Eumete. Doch Odysseus gelangt mit Hilfe der Götter nach Ithaka und kommt, in einen alten Bettler verwandelt, unerkannt in den Palast. Penelope fordert zur Bogenprobe auf: Wer den Bogen des Odysseus spannen kann, soll sie zur Frau bekommen. Natürlich kann es nur Odysseus selbst. Er tötet die Freier, Penelope erkennt ihn.

Regisseur Markus Bothe setzt die Geschichte des großen Heimkehrers auf spielfreudige Weise um und zitiert dabei ganz unterschiedliche Theatertraditionen vom Figuren- und Straßentheater bis hin zur Commedia dell’arte, vom Shakespearetheater bis zum realistischen Beziehungsdrama. Und auch die Musiker des Gastensembles »il Gusto Barocco« werden Teil des Geschehens – denn sie sitzen mitten auf der Bühne.

 


MONTEVERDI IN MANNHEIM

Markus Bothe inszeniert Die Heimkehr des Odysseus

ZEITENWENDE

Claudio Monteverdis Oper Die Heimkehr des Odysseus wird 1640 in Venedig uraufgeführt. Drei Jahre später stirbt der hochangesehene Komponist und Kapellmeister des Markusdoms über siebzigjährig. Tiefgreifende und radikale Umbrüche fallen in die Zeit, die dieses lange Künstlerleben umfasst. Wissenschaft und Technik schreiten voran, die Erfindung des Mikroskops und die Perfektionierung des Fernrohrs ma- chen Dinge sichtbar, wie sie der Mensch nie zuvor gesehen hat. In der Kunst vollzieht sich der endgültige Übergang von der Renaissance hin zum Barock: Affekt und Gefühl gewinnen die Oberhand über das Ideal der Regelhaftigkeit und Klarheit. Und man ist sich dieser Epochen- wende auch bewusst – Johannes Keplers »Astronomia nova« (1609), Lope de Vegas Traktat »Arte nuevo« (1603) und Giulio Caccinis Lieder- sammlung »Nuove Musiche« (1601) verbindet – bei aller Verschieden- heit – der programmatisch im Titel geführte Begriff des Neuen. Doch dem Vorwärtsstreben steht auch eine tiefe Verunsicherung gegenüber. In einem unendlichen Universum, in dem Planeten um Sonnen kreisen, ist kein Platz für ein Jenseits und die gütige Hand Gottes. Gewissheiten und Wertesysteme werden in Frage gestellt. Krieg, Inquisition und Pest überziehen ganz Europa. Und auch Monteverdi selbst wird von persön- lichen Schicksalsschlägen nicht verschont. Nach dem Tod seiner Frau Claudia und dem Verlust seines Postens am Hof der Gonzaga in Man- tua wendet er sich nach Venedig, tritt als Markuskapellmeister gar in den geistlichen Stand. Sein Sohn Massimiliano wird von der Inquisition verhaftet, und im Jahr 1630 muss Monteverdi erleben, wie Mantua im Streit um die Erbfolge von österreichischen Truppen restlos geplündert wird.

ODYSSEUS ZWISCHEN HOFFNUNG UND ZWEIFEL

Seit 1637 das erste öffentliche Opernhaus seine Pforten geöffnet hat, floriert in Venedig das Operngeschäft als kommerzielles Unternehmen. Jedes Jahr wird ein weiteres Operntheater eröffnet, und doch betei- ligt sich der »Erfinder der Oper«, als der er seit seinem Orfeo von 1607 gilt, zunächst nicht an dem Boom. Erst der Librettist Giacomo Badoaro kann ihn überzeugen – und das homerische Epos des großen Suchen- den und Heimkehrers Odysseus. Im festen Gottvertrauen findet hier der Held nach langer Irrfahrt Heimat, Frau und Sohn. Jupiter und Mi- nerva geleiten ihn sicher und barmherzig nach Hause, die Guten siegen über die Bösen. Und doch hat dieser Kosmos Schwachstellen, ist diese Welt nicht so perfekt, wie es scheinen mag. Der Mensch ist Spielball göttlicher Launen, wie es der Prolog unmissverständlich formuliert. Wer auf der falschen Seite steht, hat Pech – wie der »große Fresser« Iro, der nach dem Tod der Freier in einen grotesken Selbstmord getrie- ben wird. Und was ist mit dem jahrzehntelangen Kummer der Penelo- pe? Ist alles wieder gut, nur weil ein Held, ein Krieger, zurückgekehrt ist, den Penelope erst nach vielen Mühen und inneren Widerständen überhaupt als ihren Mann zu akzeptieren bereit ist?

In der Heimkehr des Odysseus ist immer beides präsent: das Vertrau- en und die Verunsicherung, die Hoffnung und der Zweifel, das Richtige und das Falsche, die Vorwärtsbewegung und (im ganz wörtlichen Sin- ne) die Versteinerung. Diese Doppelbödigkeit und Spannung zwischen den Kontrasten nimmt die Mannheimer Inszenierung auf vielen Ebenen auf. Eine kreisrunde Bretterbühne ragt in den Zuschauerraum hinein, das gesamte Geschehen ist ganz nah an den Zuschauer herangerückt. Hier ist eine Welt zu sehen, die sich nach dem Willen der Götter dreht, bis der Wille des Menschen sie anhält. Jeder hat hier seinen Platz, und doch gerät diese Welt aus den Fugen. Zugleich lässt diese Bühne an die Bretterbühne Shakespeares und die Wanderbühnen der Commedia dell’arte-Truppen denken. Und tatsächlich hatten besonders Letztere enormen Einfluss auf die Ästhetik und Dramaturgie der frühen Oper, wie sich an Figuren wie Iro, aber auch Melanto und Eurimaco ablesen lässt.

Zugleich lebt das barocke Theater von der Freude am Spiel, von der Überraschung, von überwältigenden Bühneneffekten, von Schaulust und auch von der Pracht. Auch dieser Gedanke spielt in der Konzep- tion der Mannheimer Aufführung eine wichtige Rolle. Von der Verstei- nerung der Phäaken, dem Flug Telemachs und Minervas bis zu den Verwandlungen des Odysseus verwirklicht sich das Theater als Ort der Verzauberung und des Staunens. Die Kontrastfolie ist dabei immer die Odysseus-Figur selbst: Er ist als ein Krieger von heute gezeichnet, der zu der Welt, die er einst verlassen hat, keinen Zugang mehr findet. All diese Vorgänge macht Monteverdi durch das Brennglas seiner hoch- emotionalen Musik deutlich, die sich immer ganz genau am Text und seinem Gehalt orientiert. Jede Figur nimmt er in ihrer Vielschichtigkeit ernst und gibt ihr dadurch einen Tiefgang, der auch nach fast vierhun- dert Jahren noch auf ganz direkte Weise berührt. Gesang, Instrumen- talspiel und Szene sind dabei eine unauflösliche Einheit – und auch das wird anschaulich, denn die fünfzehn Musiker des Barockensemb- les »il Gusto Barocco« sitzen hier mit auf der Bühne.

CORDULA DEMATTIO