G. F. HändelHercules

15. März 2017 - 19:30

Die Oper am Nationaltheater Mannheim lädt alle Bewohner der A-Quadrate ein zum Besuch der Vorstellung:

Hercules
von G.F. Händel
Mi, 15. März, 19:30 Uhr

Eifersuchtsdrama um Heimkehr und Tod des größten Helden der Antike, erzählt aus dem Blickwinkel seiner Ehefrau Dejanira: Virtuoser Gesang und barocke Orchesterklänge verbinden sich zu einem packenden Opernerlebnis.

Besucher des Alphabet Festivals erhalten eine gesonderte Stückeinführung.

Treffpunkt am Tag der Vorstellung:
45 Min. vor Beginn im unteren Foyer des Nationaltheaters.

 


 

KURZEINFÜHRUNG

Zwölf sorgenvolle Jahre wartet Dejanira auf ihren Gatten Herkules. Der gemeinsame Sohn, Hyllus, ist inzwischen erwachsen geworden. Sich um den Verbleib des Vaters sorgend, befragt er die Priester, die ihm den qualvollen Tod und die Himmelfahrt des Vaters prophezeien. Doch Herkules lebt. Bei seiner Heimkehr nach Trachis führt er die junge Iole, deren Vater er im Kampf getötet hat, an den heimischen Hof. Dejanira vermutet in Iole die Geliebte des Herkules und wird von einer krankhaften Eifersucht erfasst. Obwohl er seine Waffen ablegt, um mit ihr den letzten Lebensabschnitt zu verbringen, treibt sie die Eifersucht immer weiter in den Wahn. In einer letzten verzweifelten Bemühung, Herkules’ Liebe zu gewinnen, schenkt sie ihm ein Gewand, das mit dem Blut des Zentauren Nessus getränkt ist. Doch Nessus hatte Dejanira betrogen, sein Blut birgt keinen Liebeszauber, sondern tödliches Gift. Herkules verbrennt qualvoll und verflucht Dejanira für ihre Tat, woraufhin sie vollends den Verstand verliert. Hyllus erfüllt Herkules den letzten Wunsch und richtet ihm einen Scheiterhaufen auf der Spitze des Berges Oeta auf, von wo aus seine Seele zu den Göttern aufsteigt. Auf Geheiß des Gottes Jupiter vermählen sich schließlich Hyllus und Iole.

Regisseur und Ausstatter Nigel Lowery entfaltet um diese Geschichte ein Bilduniversum, das sich an der mittelalterlichen Auffassung der populären Herkulesfigur orientiert.

 


Europäischer Mythos Hercules

Die mythologische Welt der griechischen Antike ist unübersichtlich. Sie ist bevölkert von phantastischen Gestalten, Göttern, Halbgöttern und Ungeheuern, deren verschlungene Lebenswege sich immer wieder kreuzen. Weit verzweigte Stammbäume und hohe Lebensalter sorgen dafür, dass die Lebensgeschichten ihrer Protagonisten kaum zu überblicken sind. Für uns Menschen des 21. Jahrhunderts scheint diese Welt unendlich weit entfernt. Obwohl uns die Namen ihrer größten Helden vertraut scheinen, wissen wir eigentlich nicht viel über sie. Welche Bedeutung könnten ihren Geschichten heute noch für uns haben?

Die Zeitgenossen Georg Friedrich Händels dürften einen leichteren Zugang zu dieser Welt besessen haben. Bereits im späten Mittelalter erwachte in Mitteleuropa das Interesse an dieser Welt, das in der Renaissance kultiviert wurde und im 18. Jahrhundert nicht nur die Kultur, sondern insbesondere auch die politische Lebenswelt durchdrang. Der Herkulesmythos genoss gerade in der Politik besondere Popularität. Herkules, der in seiner Laufbahn auf die erheblichsten Widerstände traf und sie alle beharrlich aus dem Weg räumte, galt als Inbegriff des Beschützers der Ordnung. Seine unbändige Körperkraft, gepaart mit einem ruhigen Gemüt und einem wachen Geist, war das Ideal, mit dem sich Könige und Politiker aus verschiedenen Epochen gerne verglichen. Mit dem Ehrentitel Herkules wurden auch konkrete hegemoniale Ansprüche formuliert. Er wurde immer dann verliehen, wenn es galt, eine alte Ordnung niederzureißen und mit aller Gewalt eine neue Ordnung zu etablieren. Kaiser Maximilian (gekrönt 1493), der sich als Erneuerer des Reiches sah, nannte sich erstmals gar »Hercules Ger- manicus« (»Deutscher Herkules«). Als solcher wurde auch Martin Luther dargestellt. Eine Zeichnung des Malers Hans Holbein aus dem Jahr 1519 zeigt ihn im Kampf gegen die Autoritäten der römischen Kirche, die hier als vielköpfige Hydra portraitiert werden. Luther erschlägt das Monster mit der Keule, dem Kennzeichen des Herkules, während der Kopf des Papstes bereits an einer Kette vor seiner Brust hängt. Holbein nimmt eine Übersetzung vor, denn Luther war schließlich für die Kraft des Geistes und des Willens bekannt, doch das sind Ideale einer neueren Zeit.
Vielleicht wirkt der Herkules gerade deshalb auf uns so unzeitgemäß. Gewalt und Körperkraft sind seine einzigen Mittel, weshalb er heute gerne auch als dummer Muskelprotz karikiert wird. Durch Aggression beherrscht er die Kräfte der Natur, gegen die er die Zivilisation, den Staat, die Nation oder eben das, was in einer jeweiligen Epoche als schützenswert definiert wird, verteidigt. All das, was sich nicht mit der Kraft der Muskeln beherrschen lässt, stellt letztlich auch für ihn eine Bedrohung dar. Das Unergründbare ist würdiger Gegenspieler. Die Geschichte von Herkules’ Tod, auf deren Grundlage Händel sein musikalisches Drama verfasst, erinnert uns daran. Seine Frau Dejanira ver- giftet ihn im unkontrollierbaren Rausch der Emotionen. Ob sie einen heimtückischen Mord verübt, oder selbst vom Zentaur Nessos betrogen wurde, der ihr sein Blut mit dem Versprechen auf den Liebeszauber übergab, bleibt unklar. Die antiken Quellen sind voller widersprüchlicher Aussagen darüber oder schweigen dazu. Es wäre durchaus möglich, eine abstraktere Lesart anzuwenden und in der Geschichte die Parabel über den Kampf des Mannes gegen die Frau zu lesen. Die Frau als unkontrollierbare, zerstörerische Kraft, auch das ist schließlich ein beliebter Topos europäischer Kulturgeschichte. Welche Lesart auch immer man vornimmt, klar ist, dieser Held stirbt keinen Heldentod. In Händels Hercules wird der Held zum Opfer eines Kriminalfalles rund um die Abgründe des menschlichen Geistes. Und dieser ist uns Menschen des 21. Jahrhunderts ebenso rätselhaft wie den Generationen zuvor.

JULIA WARNEMÜNDE