Konzert, MusiksalonBAZON BROCK

8. April 2017 - 18:00

Bazon Brock zur Feier der Mannheimer „Parsifal“-Inszenierung von Hans Schüler, die seit 60 Jahren wiederholt wird

 

Fromme Sünder

Sterbehilfe für einen Rittersmann mit unheilbar klaffender Wunde der Schuld durch Auserwähltheitsglauben

 

Kein Künstler hat so umfassend wie Richard Wagner auf die Politik und Gesellschaft der Deutschen eingewirkt. Selbst die größten Hollywood-Filmschöpfer deutscher Herkunft haben ihn nicht übertreffen können. Er ist das größte Genie der Wirkkraft von Kunst. Er ist der Heiland der Religion des Deutschtums. Er erlöste den Erlöser Jesus aus der Verspottung durch die Juden als auserwähltem Volk und proklamierte den blonden Christus Siegfried zum Heros der deutschen Auserwähltheit.

Selbst wenn man mit der Schönrednerei für die Bayreuther Sache oder mit dem Mut zum sacrificium intellectus des Botho Strauß oder der Behauptung Martin Walsers, er rezipiere Religion als Literatur, bekennt, dass es tatsächlich ein Zeichen für ungeheure Verstandeskräfte ist, die Vernunft aufzugeben, bleibt die alte Frage entscheidend, wieso das Böse, die Niedertracht und die Brutalität des Handelns schöpferisch sein können. Die tröstliche Antwort ist, dass eben die Zwecke nicht die Mittel heiligen, sondern die Mittel die Zwecke, umso schlimmer, denn die Mittel, die Wagner als Künstler aktivierte, gehören unbestreitbar zum Großartigsten, was menschliche Schöpferkraft hervorgebracht hat. Also kann man gerade nicht wie die schlauen Wagnerianer im Schafspelz der vorgeschobenen Politnaivität von Künstlern behaupten, dass durch die unleugbar großartige Musik die librettistischen, die bekenntnisschriftlichen Aussagen Wagners zur „Erlösung des Judentums durch Erlösung vom Judentum“ nicht ernst genommen werden müssten. Gerade die Großartigkeit der künstlerisch-musikalischen Mittel Wagners adelt den Zweck, „ein anderes Volk als Publikum für den ‚Ring‘ zu schaffen: durch Ausmerzung aller undeutschen Elemente“.

Es gibt nicht den geringsten Zweifel, selbst über Hartmut Zelinskys Zugeständnisse hinaus, dass Wagner als Zweck seines künstlerischen Tuns genau das verfolgte, was er im 10. Band seiner Bekenntnisschriften nicht nur einmal bündig formuliert hat: „Uns Deutschen könnte, gerade aus der Veranlassung der gegenwärtigen, nur eben unter uns wiederum denkbar gewesenen Bewegung, diese große Lösung eher als jeder anderen Nation ermöglicht sein, sobald wir ohne Scheu, bis auf das innerste Mark unseres Bestehens, das ‚Erkenne-dich-selbst‘ durchführten. Dass wir, dringen wir hiermit nur tief genug vor, nach der Überwindung aller falschen Scham, die letzte Erkenntniß nicht zu scheuen haben würden, sollte mit dem Voranstehenden dem Ahnungsvollen angedeutet sein.“ Die „große Lösung“ hieß dann Endlösung der Judenfrage! Wer den Wagnerschen Antisemitismus leugnet, kann keine Ahnung von der Dimension der Rettungsphantasien haben, die Wagner wie alle Größen der politischen und künstlerischen Gestaltungskraft beherrschten und beherrschen. (Selbst die Kleinformate der AfD rechtfertigen sich noch als Retter und Bewahrer des Deutschtums; ihre Pendants in anderen Ländern wollen das amerikanische, französische, hinduistische etc. Herz ihrer Gesellschaften vor den zerstörerischen Kräften der Moderne retten.)…

Den ganzen Vortrag gibt es hier als Download: BB_Parsifal_Sterbehilfe im Männerorden

 


 

Über den Mannheimer Parsifal

Sa, 8 April, 18.00 Uhr
Lobby im Werkhaus

In den 60er Jahren veranstaltete er Fluxus-Happenings mit Beuys und Nam June Paik. Er hielt kopfstehend Vorträge und warf seine Schuhe in den Ätna. Nach dem Studium arbeitete er als Theaterdramaturg und begann 1965 seine Lehrtätigkeit im Fach Ästhetik. Um wen es geht? – Um Bazon Brock natürlich. Der wortgewaltige Kunsttheoretiker ist »Generalist«, »Selbstfesselungskünstler« und »Künstler ohne Werk«. Denn nicht auf das Werk, sondern auf die Wirkung kommt es an, das Werk ist nur »abgelegtes Werkzeug«. Vielleicht ist dieser Gedanke auch das richtige Werkzeug, um das Phänomen einer Inszenierung zu beleuchten, die wie der Mannheimer Parsifal seit 60 Jahren aufgeführt wird und von immer neuen Künstlern am Leben gehalten wird. Was ist dieses Unsterblichkeitsepos, das da jede Ostern über die Bühne des Nationaltheaters geht? – »Der Tod muss abgeschafft werden, diese verdammte Schweinerei muss aufhören. Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein verdammter Verräter.« (Bazon Brock) Vortrag im Rahmen des Parsifal-Festivals »Zum Raum wird hier die Zeit«

MIT: Bazon Brock (Vortrag)