Allgemein, überdiesAnsichten eines Opernpudels 1

Liebe Leser!

Wer war nicht alles begeistert nach der Premiere von Monteverdis „Odysseus“ neulich am Nationaltheater? Angeblich hat ja sogar Herr Dettlinger vom Mannheimer Morgen etwas Positives geschrieben, was ich allerdings für unglaubwürdig halte. Ich selber muss leider zugeben: In all die berechtigte Begeisterung über Sänger und Macher mischte sich bei mir in den Schlussapplaus etwas Traurigkeit. Wieder eine verpasste Chance für die Aussöhnung von Tier und Mensch. Wo doch jeder weiß, dass nicht nur Penelope, sondern auch Odysseus‘ Hund Argos zwanzig Jahre treu auf den Helden wartete, bei seinem Anblick mit dem Schwanz wedelte – und starb. Zum Augenausweinen. Was für eine Opernrolle wäre das geworden, was für ein Operntod! Doch welche Rolle von all den redundanten Figuren des Epos wird von Monteverdi gestrichen? Der Hund natürlich. Es ist zum Verzweifeln.

Als ich neulich in Zürich in der Nähe des Theaters Gessnerallee „Gassi“ ging (wieder so ein unsäglich marginalisierendes Wort), fiel mir ein Straßenschild auf, das meine Gedanken auf den Punkt brachte. „Judith Gessner-Platz“, stand da. Und dann die Erklärung: „Judith Gessner (1738-1818) Ehefrau und Partnerin von Salomon Gessner. Eine Frau – stellvertretend für viele Frauen der Geschichte – die ihrem Mann Kraft, Energie und Stabilität gab, ohne je selbst im Rampenlicht zu stehen.“ Schön gesagt, aber mit wie viel mehr Berechtigung ließe sich das über manchen Hund sagen? Feiert eure Penelope, feiert meinetwegen sogar Judith Gessner, aber denkt nur ein einziges Mal an den treuen Argos! Und führt endlich das Frauenwahlrecht ein!

Resigniert, Euer

Bela