Infinite Now
Am 26. Mai feiert das NTM eine ganz besondere Premiere: Infinite Now – das neue Musiktheater von Chaya Czernowin und Luk Perceval – kommt nach Mannheim! Das neue Werk basiert auf Luk Percevals erfolgreichem Schauspiel FRONT, in dem er sich auf eine sehr subjektive und berührende Weise mit dem Ersten Weltkrieg auseinandersetzt. Die Uraufführung der Koproduktion zwischen Nationaltheater Mannheim, Kunsthuis Opera Vlaanderen (Gent / Antwerpen) und IRCAM – Centre Pompidou (Paris) fand am 19. April 2017 in Antwerpen statt.
Die Partitur des neuen Werkes arbeitet mit ganz verschiedenen Schichten. Neben Sängern und Schauspielern gibt es ein Instrumental-Quartett, das große Orchester, aber auch eine Vielzahl an elektronisch aufgezeichneten Geräuschen, die einen Eindruck geben von den psychischen Vorgängen, denen sich die Menschen und Figuren in Infinite Now stellen. Dazu arbeitete Chaya Czernowin eng mit dem IRCAM-Institut zusammen.
Aber was bedeutet eigentlich „IRCAM“?
IRCAM ist die Abkürzung für „Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique“, was auf Deutsch so viel bedeutet wie „Forschungsinstitut für Akustik und Musik“. Das Institut wurde 1978 von Pierre Boulez mitgegründet.
Hier gibt es einen Einblick in die Arbeit:
Und was sagt die Komponistin selbst über ihr Stück?
Infinite Now ist eine Auftragskomposition für die Opera Vlaanderen (Antwerpen Gent) und das Nationaltheater Mannheim. Wie genau kam es dazu?
CHAYA CZERNOWIN: Bei dieser Arbeit lag die seltene Situation vor, dass ich einen Impuls von außen bekommen habe, nämlich den Vorschlag, eine Oper auf der Grundlage des Theaterstucks FRONT von Luk Perceval zu schreiben. Ich erinnere mich an mein erstes, außergewöhnliches und aufregendes Treffen mit Luk Perceval, als ich eine Aufführung des Stückes in Hamburg besuchte. Ich war von seiner Offenheit begeistert und von seiner Abenteuerlust in Bezug auf seine Theaterarbeit. Ich wusste da schon, dass es eine tolle Erfahrung werden wurde: Mit ihm darum zu kämpfen, eine musikalische Sprache zu finden und eine Theatersprache, die sich mit dieser auf eine unkonventionelle Art verbindet.
Sie haben hier eine ungewöhnliche Klangarchitektur kreiert, eine Klanglandschaft, in der verschiedene Facetten von Musik und Geräuschen auf neue Art ineinandergreifen. Wie würden Sie selbst das Hörerlebnis bei diesem Werk beschreiben?
CZERNOWIN: Eine sogenannte Literaturoper zu schreiben, hat mich nicht interessiert. Ich bin auch nicht interessiert daran, mitreisende, gefällige Musik zu schreiben, die den Tag angenehmer macht. Davon gibt es schon sehr viel, und diese ist weit besser als das, was ich in dieser Hinsicht schreiben könnte. Ich finde es wichtig, durch die Musik unsere Art, zu hören und zuzuhören zu untersuchen. Kunst kann so etwas wie ein Labor für das Leben sein. Aus ihr können wir wirklich viel lernen und daran wachsen. In diesem Sinne mochte ich einen Beitrag zur Innovation leisten. Die Hörerfahrung in Infinite Now entzieht sich der Möglichkeit zur Kategorisierung. Wenn wir uns anschauen, was die Sänger/innen tun: Sie erzählen keine Geschichte, sie singen keine Arien, sie führen kein Hörspiel auf. Was sie machen, ist eine Mischung aus all diesen Dingen, ihre Aktionen flottieren zwischen diesen Dingen. Das Werk bewegt sich ganz subtil durch diese verschiedenen künstlerischen Bereiche. Ich finde, an dieser Art von Subtilität mangelt es in der heutigen Welt, die nur auf Polarisierung und Schwarz- und Weißdenken ausgerichtet ist.
Die Partitur ist vielschichtig und einige dieser Schichten wurden technisch vorproduziert und werden elektronisch zugespielt. Wie viele Ebenen gibt es?
CZERNOWIN: Wir haben eine ganze Menge elektronischer Musik, die im IRCAM (Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique) von meinem Mitarbeiter Carlo Laurenzi gemacht wurde. Wir haben sechs Sängerinnen und sechs Schauspieler auf der Bühne – ein tolles Ensemble. Es gibt ein Quartett aus den Instrumentalisten Yaron Deutsch, Nico Couck, Severine Ballon und Christina Meissner. Das sind alles hervorragende Musiker: Zwei Gitarristen und zwei Cellisten. Und schließlich das Orchester. All diese Kräfte spielen ihre Rolle in der Arbeit. Die war ziemlich herausfordernd, denn die Partitur enthalt Elemente, von denen die Musiker/innen nicht wussten, wie sie klingen sollten. Natürlich fand nicht jeder direkt seinen Zugang, aber nach einigen Tagen gemeinsamer Arbeit begannen die Leute, die musikalische Sprache zu verstehen.
Am Sonntag, den 21. Mai 2017, ist Chaya Czernowin zu Gast im Musiksalon!
Bei ausgewählten Vorstellungen von Infinite Now wird sie eine selbst eine Stückeinführung geben: 26., 28. Mai und weitere Termine im Juni.
Im Konzeptionsgespräch spricht Chaya Czernowin über die Genese von Infinite Now und die Frage, wie man in Musik über Dinge reflektieren kann, die man nicht in Worte fassen kann.