Allgemein, überdiesAnsichten eines Opernpudels 6

Mannheim, den 7.12. 2017

 

Liebe Leserinnen und Leser!

 

Vielleicht kennt es der eine oder andere: das Trödeln bei Verrichtung täglicher, unabwendbarer Bedürfnisse. Als ich beispielsweise neulich Gassi war und eben mein Bein an einer Straßenlaterne hob, fiel mir ein Zettel in die Augen: „Hier könnten auch Blumen hängen. Shanti, Shanti Shanti“.

Man wird verstehen, dass mich diese unerwartete Wahrheit in den Bann schlug. Natürlich! Blumen könnten hier hängen. Das wäre sogar sehr schön. Ist es nicht schlimm, dass man den Gedanken aufgegeben hat, öffentliche Straßen mit Blumen zu schmücken?

Nun wäre einzuwenden, dass beim Mannheimer Friedrichsring jeder Blumenschmuck vergebens sei. Doch das hieße irgendwie zugleich, vollkommen aufzugeben, seinen Frieden zu machen mit der gebrechlichen Einrichtung dieser Welt. Frieden mit all den Stromkästen, Verkehrsinseln, Schlaglöchern, Müllablagerungen, Schrottschildern und Werbetafeln? Mit all den abgerissenen Prachtbauten, die durch Pappe und Platte ersetzt wurden? Mit stinkenden Unterführungen, vollgeschmiert und düster? Mit der puren Hässlichkeit als Ergebnis von Freiheit und Fortschritt?

Doch wie könnte man damit seinen Frieden machen – für einen empfindsamen Opernpudel wie mich unmöglich. Und was hieße das überhaupt für die Oper? Müsste der Opernbesucher mit dem Zustand des zeitgenössischen Regietheaters nicht ebenso seinen Frieden machen wie ich mit der Straßenlaterne ohne Blumenschmuck? Indem ich Wahrhaftigkeit anstelle von Schönheit zu akzeptieren lernte?

Zu viele Konjunktive. Da ich immer noch mein Bein abspreizte, wurde es mir unbequem und ich trollte mich. Was sollte bloß dieses Shanti Shanti Shanti unten auf dem Zettel bedeuten?

„Shanti heißt Frieden“, gibt die Internetseite „Yogaworld“ Auskunft. Warum aber meistens dreimal? „Das erste Shanti ist für den persönlichen, inneren Frieden. Das zweite stiftet Frieden in persönlichen Beziehungen, im Freundeskreis, der Familie. Das dritte Shanti gilt dem Frieden der ganzen Welt.“

Zu akzeptieren, dass es am Friedrichsring keine Blumen gibt, wäre also ein Anfang für den Weltfrieden. – Ich sehe, die Hauptprobe „Fidelio“ beginnt! Er soll ja ganz und gar im Schlamm spielen… Ich muss los!

Euer Opernpudel

Bela