Die Meistersinger – Ein Probeneinblick
Der Sängerwettstreit nimmt seinen Anfang
Mit Die Meistersinger von Nürnberg hat Richard Wagner sein einziges Satyrspiel, seine einzige »Komödie«, geschaffen. Wagner wäre allerdings nicht Wagner, wenn neben den lustigen Stellen es nicht auch düstere gäbe. So spielt gerade der „Wahn“ immer wieder eine große Rolle. Am Nationaltheater Mannheim kommen die Meistersinger in einer Neuinszenierung von Nigel Lowery am 28.10. auf die Bühne.
Große Oper, viele Menschen
An so einer Produktion sind viele Mitwirkende beteiligt. Da ist zum einen der Regisseur, dem zudem noch zwei Regieassistenten zur Seite stehen. Da Nigel Lowery auch die Kostüme und das Bühnenbild macht, gibt es auch hier jeweils einen Assistent für diese Bereiche, die jedoch nicht bei jeder Probe anwesend sind. Weiterhin begleiten zwei Dramaturgen den Probenprozess vor allem immer dann, wenn es um die neu entwickelten Szenen geht. Dann gibt es noch den Dirigenten Alexander Soddy mit seinem Assistenten, einem Pianisten und einem Souffleur.
Es sind sehr viele Personen an diesen Probenprozessen beteiligt, die Hand in Hand arbeiten!
Hier kann man einige von ihnen sehen. Nigel Lowery erklärt den versammelten Solistinnen und Solisten sein Konzept.
Bei dieser großen Produktion wirke ich als Regiehospitantin mit. Ich bin 19 Jahre alt, habe gerade Abitur gemacht und mein Berufsziel ist es, Regisseurin zu werden. Am Nationaltheater Mannheim bekomme ich viele Einblicke in mein zukünftiges Berufsfeld. Ich unterstütze den Probenprozess, indem ich beispielsweise die Probebühne mit einrichte, Requisiten bereitlege, Bewegungen der Sänger mitschreibe und Rollen spielerisch ersetze, wenn die Person nicht an der Probe teilnimmt.
In den nächsten Wochen werde ich in diesem Probenblog über meine Eindrücke und Erlebnisse aus den Proben für die Meistersinger berichten.
Begonnen haben die Proben bereits im Juli. Für die Zeit der Sommerpause wurden sie dann ca. 6 Wochen unterbrochen. Wir befinden uns jetzt in der 5. Woche im Probenverlauf.
Montags in Neckarau
Es ist Montagabend und die Probebühne ist erfüllt von klangvollen, tiefen Stimmen. Die Meistersinger finden sich zu einer Probe ein. Die Namensgeber des Stückes sind Sänger und Dichter, die sich zunftartig zusammengeschlossen haben. Jeder kann Teil jener Zunft werden, solange er die Regeln des Meistergesangs befolgt, die jedoch sehr eng gefasst sind. Über die Einhaltung der Regeln wacht der sog. Merker – Sixtus Beckmesser.
In der Szene, die an diesem Abend geprobt wird findet eine Zunftberatung der Meistersinger statt. Bei der Zunftberatung gibt Veit Pogner bekannt, dass der Gewinner des Wettsingens seine Tochter Eva zur Ehe versprochen bekommt. Aus der Zunft würde eigentlich nur Beckmesser in Frage kommen, weshalb er besonders verdrießlich auf den neuen Bewerber, den Ritter Walther von Stolzing, reagiert. Eva hatte diesen aufgefordert vorzusingen, da sie ihr Herz an ihn verloren hat. Sie möchte, entsprechend des Willens ihres Vaters, dass er so als Meistersinger um sie freit. Das Vorsingen scheitert an Beckmesser, der die anderen Sänger überzeugt, Walther habe sich versungen und seine Chance vertan. Dem stellt sich Sachs entgegen, der den Gesang von Walther anerkennt und verteidigt.
Die erste szenische Probe mit allen Meistern steht an. Bis jetzt wurden nur Teilpassagen der Meistersingerszenen mit nur wenigen Sängern geprobt. Es ist schwierig, zu einer Probe wirklich alle zwölf Meistersinger zusammenzubekommen, denn alle Sänger sind parallel noch in anderen Produktionen beschäftigt. Andererseits ist es auch von Vorteil, schon eine Struktur zu haben, die man mit wenigen Sängern erarbeitet hat und auf die man dann aufbauen kann. Zu den zwölf Meistersingern kommen noch Walther und David (der Lehrbube von Sachs) vor. Insgesamt sind also fünfzehn Sänger an dieser Szene beteiligt, die alle individuell in der Inszenierung bedacht werden wollen.
Am Anfang gibt es für die Sänger eine grobe Einführung in die Rollencharakteristik der Meistersinger, wie sie sich der Regisseur Nigel Lowery vorstellt. Indem er jedem unterschiedliche Eigenschaften gibt und sich auch über die Verhältnisse untereinander Gedanken gemacht hat, werden die Rollen mit Charakter gefüllt und bekommen Kontur. So ist beispielsweise Hans Foltz besonders schläfrig, Hermann Ortel nippt bei jeder Gelegenheit heimlich an seiner Flasche und Hans Schwarz ist ständig am Stricken. Schon mit solchen Kleinigkeiten bekommen die Rollen ihr spezielles Profil für die Inszenierung.
Dann wird die Szene einmal musikalisch durchgesungen, damit der Dirigent Alexander Soddy vorher noch Anmerkungen machen kann. Die Meistersingerstellen brillieren mit einer atemberaubenden Stimmgewalt, die einen mit Wucht packt. Im Speziellen die fast chaotischen Stellen, an denen jeder Solist für sich, aber doch mit den anderen Solisten zusammen singt, ist diese Stimmengewalt besonders intensiv.
Nach dem musikalischen Durchgang kann die szenische Probe richtig starten. Eine Überraschung für die Sänger ist, dass die Meistersinger alle alt sind, sehr alt. Einige bekommen Krückstöcke, mit denen das Altsein direkt angetestet wird. Die Koordination der vielen Sänger ist ein sich entwickelnder Prozess. Jeder hat seine in der Musik getakteten Aufgänge. Das ist ein komplexes Gefüge, das dort entsteht und sich immer weiter im Fortlauf der Probe festigt.
Nach der dreieinhalbstündigen Probe habe ich einen guten Eindruck von dem Zusammenspiel in dieser Szene bekommen. Nun bin ich sehr gespannt, wie sich diese Szene in den nächsten Wochen weiter verändern und in das Gesamtgefüge einbinden wird. Besonders interessant wird es, wenn schließlich alle Sänger in Kostüm und Maske auf der Bühne stehen und das komplette Orchester dazu spielt.
Ich werde berichten…
Text und Bilder: Julia Cantzler