Musiksalon // Klassik
Oberes Foyer
Ein Wandelkonzert mit Stücken von Debussy, Ravel und Satie.
Fin de siècle in Europa: Die Industrialisierung verändert die Lebenswelt, Friedrich Nietzsche stellt den Tod Gottes fest, Siegmund Freud schreibt dem Menschen ein unkontrollierbares Unterbewusstsein zu. Für das alte Menschendbild bricht die Dämmerung an.
Getrieben von der Sehnsucht nach dem Aufbruch in die Moderne, suchen französische Komponisten wie Ravel, Debussy und Satie in dieser »Blauen Stunde« nach dem Klang für ein neues Jahrhundert.
Während man in der Bildenden Kunst nun den Blick auf den Moment lenkte und nach neuen Stilmitteln suchte, um mit Licht, Schatten und Farben besondere Atmosphären einzufangen, entwickelt sich analog zum Impressionismus in der Malerei der Impressionismus in der Musik. Claude Debussys Spiel mit kontrastierenden Klangkomponenten, Klangflächen und die Zusammenführung verschiedener Formelemente und Stile liefert dafür ein eindrückliches Beispiel.
Sein individueller Stil ist geprägt von der intensiven Beschäftigung mit der Musik der französischen Barockkomponisten Jean-Philippe Rameau und Jean-Baptiste Lully. In der Sonate für Flöte, Viola und Harfe wird dieser Bezug zur Musik des französischen Barock besonders deutlich. Der erste Satz ist eine Pastorale im Stil eines »Prélude non mésuré«, der zweite ein stilisiertes Menuett mit typischen barocken Rhythmen und das Finale ein schneller Tanzsatz. Deutlich hört man auch die Nähe zur zwei Jahre zuvor komponierten Bühnenmusik »Psyché« und dem darin enthaltenen Stück für Solo-Querflöte »Syrinx«, das nach dem Berichts Ovids von der Verwandlung der Nymphe Syrinx durch den Hirtengott Pan handelt. Debussy erhebt hier die Querflöte zum Instrument der mythischen Natur. Während Debussy sich mit der Oper schwer tat und »Pelléas und Mélisande« sein einziges, vollendetes Werks für das Musiktheater bleibt, komponierte Debussy jedoch gern für die Stimme. Sein Oeuvre umfasst mehr als 50 Lieder, zumeist Gedichtvertonungen, die die impressionistische Suche danach, Momente und Atmosphären einzufangen, in die Versform bringen. So erinnert beispielsweise »Salut printemps«, das Debussy im Alter von nur zwanzig Jahren schrieb, an eine Beschreibung von Claude Monets berühmten Frühlingsbildern.
Ein wichtiges Anliegen der Impressionisten war die Abgrenzung zur Romantik und den von Richard Wagner dominierten Musikidealen. Mit seinen zwischen 1889 und 1897 komponierten Klavierstücken, die er mit dem erratischen Titel „Gnossiennes“ versah, persifliert Erik Satie die Attitüde des romantischen Klavierspiels. Die insgesamt sieben Stücke laden auch zu einem bewusst ironischen Vortrag ein. Auch anhand der Satzbezeichnungen von Maurice Ravels Sonate für Violine und Klavier, die erst 1975 uraufgeführt wurde, lässt sich der Bruch mit der romantischen Tradition deutlich ablesen. Hier stellt er ein neobarockes Allegretto neben einen Blues und zitiert mit dem »Perpetuum mobile« Beethovens Violinsonate an. Für Ravel galt, dass Violine und Klavier eigentlich unvereinbare Instrumente sind und so lässt er die Klangfarben der Instrumente nie zu einem ganzen verschmelzen, sondern unterstreicht ihre Unterschiede.
Im Wandelkonzert am Samstag zeigen MusikerInnen des Nationaltheaterorchesters und Chores die ganze Klangvielfalt der Komponisten, die mit ihren Ideen den Weg in das 20. Jahrhundert ebneten.
von Julia Warnemünde