Allgemein, Musiktheater, überdiesSANSSOUCI. EIN PROBENEINBLICK

Der Weg zum besonderen Kontakt

 

Es ist Montagvormittag, und ohne viel über das Konzept des Stückes zu wissen, stolpere ich in die erste Bühnenprobe von Sanssouci hinein. Was ich weiß: Die Sparten Tanz und Oper gestalten gemeinsam die Produktion unter der Leitung von Choreograph Stephan Thoss. Dass die Sparten in so unmittelbarem künstlerischen Kontakt stehen, ist schon eine Besonderheit. Und genauso besonders ist die heutige Probe, bei der sich Tänzer und Sänger der Produktion zum ersten Mal auf der Bühne begegnen.

Als ich im Opernhaus ankomme, erfahre ich mehr über den Hintergrund: Die Handlung dreht sich um den preußischen König Friedrich II, der im Schloss Sanssouci residiert. Alle Tänzer verkörpern Personen aus dem Leben des Monarchen. Einigen zentralen Figuren sind zusätzlich Gesangssolisten zugeordnet, die die Figuren durch ihren Gesang und ihr Schauspiel darstellen. Im ersten Teil werden Werke von Johann Sebastian Bach und deren Bearbeitungen gespielt, im zweiten Teil steht Georg Friedrich Händels Psalmvertonung „Dixit Dominus“ im Zentrum.

Nun sind Marcel Brunner und Nikola Hillebrand dazugestoßen, beide sind Mitglieder des Opernensembles. Sie verkörpern Friedrich II. und seine Schwester Amalie, gemeinsam mit den Tänzern Joris Bergmans und Emma Kate Tilson. Die Gesangspartien sitzen – jetzt müssen sie auf die Choreographien reagieren, sich dazu verhalten.

Zum ersten Mal entsteht nun die Szene auf der Bühne, die Stephan Thoss in seiner Vorstellung schon geformt hat: Vor einer der vielen Wände im Sanssouci-Bühnenbild bewegt sich Joris in der Stille, bis er neben der Wand angekommen ist und sich Marcel synchron hinter ihm bewegt, als wäre er sein Spiegelbild. Dies ist der Moment, in dem die beiden gemeinsam in ihrer Rolle Friedrich II. aufgehen. Sobald diese gemeinsame Identität gesetzt ist, lösen sich die beiden und finden gewissermaßen ihre eigenen Ausdrucksformen: Das Klavier setzt ein, Gesang und Tanz laufen parallel ab. Noch wirken Tänzer und Sänger einander ein wenig fremd, doch die Abläufe sind klar und das Konzept stimmt. Beide Kunstformen sollen gemeinsam zu Projektionen der Gefühlswelten der Figuren werden.

Auch für Nikolas Arie funktioniert eine der Wände im Schloss als Spiegel zwischen ihr und Emma, bis sie sich voneinander lösen und die Sopranistin Beobachterin ihres eigenen Innenlebens wird. Am Ende der innigen, sehnsuchtsvollen Arie ist es Nikola, die Emma berührt, sie in ihrem Arm auffängt und mit ihr abgeht. Hier wackelt noch das Timing – das braucht Zeit und Annäherung. Umso mehr steigt in mir die Spannung und Vorfreude auf den Punkt, an dem ein besonderer Kontakt zwischen den Künsten entstehen kann, wenn Musik, Tanz und Spiel organisch miteinander verwoben sind.

 

Caterina Szigeth