Allgemein, Konzert, Musiktheater, überdiesDANTE: FRANCESCA UND PAOLO

Francesca und Paolo in Dantes »Die Göttliche Komödie«

 

Göttliche Komödie

»Nel mezzo del camin di nostra vita,

mi ritrovai per una selva oscura … «

Auf der Hälfte meines Lebensweges fand ich mich in einem dunklen Wald wieder. Aus Erschöpfung und Müdigkeit hatte ich den richtigen Weg verloren und musste die Nacht an diesem unheimlichen Ort verbringen …

Was nach dem Anfang eines Abenteuerromans mit ungenauen Zeitangaben klingt, ist in Wirklichkeit der Beginn des spätmittelalterlichen Hauptwerks des italienischen Dichters Dante Alighieri: La Divina Comedia (= Die Göttliche Komödie).

Der aus Florenz stammende Gelehrte verzweifelte an den politischen Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat, die seinerzeit Italien in zwei Lager unterteilten, genauso wie an der scheinbar unheilbaren Verwerflichkeit der meisten Menschen.

Er entschloss sich daher seine eigene Läuterung, eine imaginäre Reise durch Hölle, Fegefeuer und Paradies in einem literarischen Epos festzuhalten.

 

Virgil findet Dante im dunklen Wald

Der römische Dichter Virgil, den Dante nicht nur als Berufskollegen sondern auch als moralische Instanz aus der vorchristlichen Zeit verehrte, findet Dante in besagtem dunklen Wald und wird zu seinem Mentor.

Er führt ihn zuerst in die Hölle, wo die Seelen der Sünder nach Art und Schwere ihres Vergehens geordnet unter Höllenqualen leiden. Diese bestehen aus der ironischen Umkehrung ihrer Laster. Die Lüsternen, die sich im Leben von ihrem Verlangen haben mitreißen lassen, werden hier von einem Wirbelwind hin und her geworfen. Unter den Umherfliegenden fallen Dante zwei Gestalten sofort ins Auge, weil sie nebeneinander her fliegen und im Wind leichter wirken als alle anderen. Sobald der Wind die beiden Gestalten auf Dante und Virgil zuweht, bittet er sie, mit ihm zu sprechen. Es handelt sich um Francesca und Paolo, die ihm von ihrer innigen Liebe erzählen.

 

»Amor, ch’al cor gentil ratto s’apprende

prese costui de la bella persona

che mi fu tolta; e ‚l modo ancor m’offende.

 

Amor, ch’a nullo amato amar perdona,

mi prese del costui piacer sì forte,

che, come vedi, ancor non m’abbandona.

 

Amor condusse noi ad una morte:

Caina attende chi a vita ci spense.

Queste parole da lor ci fuor porte.«

 

In etwa: Die Liebe, die mein reines Herz plötzlich ergriff, wurde mir wieder entrissen, und ich leide noch immer. Die Liebe, die Verweigerung nicht zulässt, ist so stark, dass sie sich noch immer nicht von mir löst. Die Liebe hat uns den Tod gebracht: Brudermord.

 

Kein größerer Schmerz als der der Erinnerung

»Nessun maggior dolore che ricordarsi del tempo felice ne la miseria«

Dante bittet daraufhin Francesca ihm vom Beginn dieser Liebe zu erzählen. Obwohl sie klagt, dass nichts schlimmer sei, als sich im Unglück an das vergangene Glück zu erinnern, beginnt sie von jenem schicksalhaften Nachmittag zu erzählen: In Abwesenheit ihres Ehemanns las sie mit dessen Bruder Paolo die Geschichte von der Liebe des Ritters Lancelot zu Guinevere, der Frau des Königs Artus. Von der Erzählung des ersten Kusses zwischen Guinevere und ihrem Geliebten mitgerissen, entbrannte auch zwischen Francesca und Paolo Liebe und Verlangen. Von da an widmeten sie sich nicht mehr dem Lesen, sondern der gegenseitigen Hingabe.

Ihrem Glück wurde jedoch durch die Rückkehr des Ehemannes und Bruders ein jähes Ende bereitet, als er die beiden erwischt und auf der Stelle umbringt.

 

Tiefes Mitleid

Mit der erzählenden Francesca und dem im Hintergrund weinenden Paolo empfindet Dante tiefstes Mitleid. Die Emotion überwältigt ihn, sodass er ohnmächtig wie ein toter Körper zu Boden fällt.

»E caddi come corpo morto cade.«

Dieses Ereignis bleibt bei weitem nicht die einzige prägende Begegnung auf Dantes Wanderung. Doch besonders Paolo und Francesca bleiben vielen Lesern im Kopf. So hält ihre Geschichte, die übrigens auf einem historischen Vorbild beruht, auch in andere Kunstformen Einzug. Zum Beispiel mit der Oper »Francesca da Rimini« des russischen Komponisten Sergej Rachmaninow.

 

Von Carlotta Riedelsheimer