Konzert, Musiksalon»Verfemt« – Ein szenischer Liederabend um den Mannheimer Komponisten Ernst Toch im Tanzhaus Käfertal

6. April 2019 - 20:00

Ernst Toch wurde 1887 in Wien geboren.

In der Erziehung des Sohnes des jüdischen Lederhändlers Moritz Toch spielte Musik keine große Rolle. Die Förderung seiner musikalischen Fähigkeiten durch seine Familie beschränkte sich auf den Klavierunterricht, den er ab dem Alter von 8 Jahren erhielt. Das Komponieren brachte er sich durch die intensive Auseinandersetzung mit Mozarts Streichquartetten selbst bei. Zuerst studierte er dann jedoch Medizin in Wien, da seine Familie dies nach dem Tod seines Vaters 1904 von ihm erwartete. In seiner Freizeit komponierte er weiter. Seine Kammersinfonie in F-Dur aus dem Jahr 1906 gewann 1909 den Mozart-Preis der Stadt Frankfurt, woraufhin er sein Medizinstudium beenden und am dortigen Konservatorium ein Musikstudium beginnen konnte. 1913 wurde er für die Fächer Komposition und Klavier an die Musikhochschule Mannheim berufen. Im 1. Weltkrieg diente er als Soldat der k.u.k.-Armee, danach kehrte er nach Mannheim zurück. Er blieb bis 1929 Professor an der Mannheimer Musikhochschule und wurde zu einem deutschlandweit sehr gefragten Komponisten. Unter Anrechnung seines Medizinstudiums konnte er außerdem 1921 mit seiner Arbeit »Beiträge zur Stilkunde der Melodie« in Heidelberg promoviert werden. Auch seine Vertonung des Textes »Egon und Emilie« – kein Familiendrama von Christian Morgenstern – stammt aus seiner Mannheimer Zeit. Nachdem er 1929 nach Berlin umgesiedelt war, wurde er zum Maggio Musicale nach Florenz eingeladen. Dieser Einladung folgend befand er sich im Januar 1933 nicht in Deutschland und floh von Florenz direkt nach Paris, wo er seine Frau und seine Tochter wiedertraf. Aufgrund der strengen Einwanderungspolitik konnte er jedoch weder in Paris noch in London, der nächsten Station der Familie, ausreichend Geld mit seinen Kompositionen verdienen. 1934 folgte er einer Einladung an die »University in Exile« an der New School for Social Research in New York. Nachdem er dort zwei Jahre gelehrt hatte, zog die Familie nach Hollywood. In den Folgejahren arbeitete er erfolgreich für verschiedene Filmgesellschaften. Jedoch waren die Filmmusiken für ihn keine ernsthaften Kompositionen, viele verfasste er daher anonym. Die Anzahl seiner anderen Kompositionen ging in diesen Jahren, in denen er zusätzlich an der University of Southern California unterrichtete, deutlich zurück. Eine schwere geistige und körperliche Krise führte 1948 zu einem Herzanfall, woraufhin er seine Lehrtätigkeit beendete und sich wieder ausschließlich dem Komponieren widmete. Es entstand ein umfangreiches Spätwerk. Ernst Toch erhielt für dieses, wie auch für seine früheren Werke viele Ehrungen, dennoch wurde er nicht wieder so bekannt wie vor dem Krieg und auch sein Einfluss auf die Musikwelt verringerte sich drastisch. Der Wunsch des Komponisten, sich nach dem Krieg am kulturellen Wiederaufbau Europas zu beteiligen, ging nicht in Erfüllung.

 

Das szenische Konzept des Liederabends

In »Verfemt« kehrt nach fast 91 Jahren Ernst Tochs »Egon und Emilie« an den Ort seiner Uraufführung zurück. Die Beschäftigung mit Tochs Biographie und Exilserfahrung bildet die Grundlage des szenischen Konzepts, das die Geschichte zweier jüdischer Musiker erzählt, denen die Reichsmusikkammer die weitere Ausübung ihrer Berufe verbietet. Stellvertretend erzählt der Abend damit die Geschichte vieler verfemter Künstlerinnen und Künstler.

Wie die beklemmende Stimmung, die Bedrohung der Existenz über ein alltägliches Leben hereinbricht, wird in der musikalischen Abfolge dargestellt. Diese beschreibt analog zum Schicksal des Komponisten den Weg von Deutschland ins Exil, in ein fremdes Land, in einen unbekannten Sprachraum. Die dargestellte Handlung zeigt keine individuellen, historischen Schicksale. Vielmehr greift sie einzelne, scheinbar alltägliche Momente auf und setzt sie in einer Umgebung um, die mehr an Ausstellungsräume als an einen Bühnenraum erinnert.

Auch Werke der ebenfalls ehemals  verfemten Komponisten Hanns Eisler und Felix Wolfes, werden in den Abend integriert. In einem weitern Blogbeitrag werden wir auch sie vorstellen.

 

Carlotta Riedelsheimer