1. »Der Troubadour« ist nach »Aida« dein zweiter Verdi am Nationaltheater. Wie empfindest du das Stück?
Das Stück ist wie ein einziger Albtraum. Das einzige Licht, das in dem düsteren Universum von Verdis »Troubadour« existiert, ist das grell aufflackernde Licht des Feuers. Ansonsten herrscht absolute Dunkelheit. Es ist eine hoffnungslose und zerstörte Welt, die beherrscht wird von den Gefühlen der Rache und des Hasses, die aus der Vergangenheit herüberragen. Das einzige, das sich am Himmel noch abzeichnet, ist der einsame Gesang des Troubadours, der verzweifelt gegen das Vergehen und Vergessen ansingt.
2. Die Oper hat verschiedene, sehr stark gezeichnete Protagonisten: Die angebliche Hexe Azucena, den Rebellenführer Manrico, den liebesbesessenen Grafen Luna, die grenzgängerische Leonora. Was ist für dich das Kraftzentrum der Handlung?
Dieses Viergestirn ist in der Tat ein absolutes Kraftzentrum – jeder für sich und alle gemeinsam unter der Bürde ihres Fluchs. Ich denke jedoch, dass die Ausgestaltung und Zeichnung der Azucena ein Meisterwerk ist. Die Absolutheit dieser Figur ist einzigartig! Wir können miterleben, was das unaussprechliche Vergehen an ihr und damit an der Menschheit insgesamt für körperliche und seelische Verstümmelungen hervorruft. Unwiderruflich frisst sich das schwarze Blut der Rache in den Körper dieser Frau und bricht sich in ihren sich unablässig wiederholenden Phrasen Bahn.
3. Die Oper spielt mitten in einem Bürgerkrieg. Was bedeuten die Verdi’schen Bravourarien für dich in diesem Zusammenhang?
Ein Aufbäumen in der Dunkelheit. Ein Versuch, sich die Angst aus der Seele zu schreien. Manchmal auch ein unbeholfener Versuch, sich in einen Zustand zu befördern, der sich sonst nicht erreichen ließe. Eine Opern-Adrenalin-Spritze, um sich anschließend wieder in den Schützengraben zu werfen, trotz objektiv betrachtet vollkommener Aussichtslosigkeit.
4. Du hast dich für Licht und Schatten als zentrales Gestaltungsmittel entschieden. Warum?
Diese Oper spielt immer wieder mit den Beschreibungen von Innerlichkeit. Alles Erlebte, Gesehene hat sich in die Netzhaut der Figuren gebrannt. Übergroße, nicht weiter ausdifferenzierte Schattengewächse der Fantasie und des Traumas mischen sich mit den immer in der Ferne lauernden Feinden. Ein großer Albtraum ohne Grauwerte – gleißend grell oder absolut dunkel. Dazwischen ist nichts. Und in dieser Welt versuchen diese Figuren sich zu bewegen und zu behaupten…
– Jan Dvořák