Mannheimer Sommer, Programm MannheimLog 7 – Anastatica

Logbucheintrag 7

Es ist der 22.06.2022, noch 3 Tage bis zum Abflug.

Verzerrte Klänge schweben durch das Atrium der Kunsthalle Mannheim.

Rauschen und knistern, düstere, unbehagliche Klänge. So müsste es klingen in ein Wurmloch gezogen zu werden.

Aufgesogen in das All

verschollen

für immer

im Nichts.

Oder wie ein Taucher, der tief im Meer, wo sonst kein Leben herrscht, an einem Schiffswrack sägt, sein Atem in Blasen um seinen Kopf, aufsteigend, bis zur Oberfläche in weiter Ferne.

Dazu passend das, was auf dem grauen, kalten Museumsboden zu sehen ist: ein scheinbar chaotischer Haufen aus fleischigen Lappen, Schnüren – doch halt: dort sehe ich auch einen Arm und ein Gesicht oder bilde ich mir das nur ein? Und … der Haufen, er… atmet?

Und schon entfaltet er sich und ihm entsteigt ein Soldat wie aus einem Katastrophenfilm. Oder wie aus der Realität? Ein fleischiges Maschinengewehr in Händen macht er sich auf, auf, um diese zerstörte Welt zu erkunden, sie sich zu eigen zu machen.

Ist er so stark, so furchtlos, so unverwundbar wie er scheint? Nein. Es schüttelt ihn, man sieht wie er mit sich ringt. Kämpft er mit seiner Identität? Oder mit etwas ähnlich tief in ihm verwurzelten?

Eine Transformation geht mit ihm vor, ausgelöst vom krampfartigen Rütteln und Schütteln, dass seinen Körper ergriffen hat. Und aus dem harten Äußeren des Kämpfers schält sich langsam, wie ein junges Tier, ein fragileres Wesen, und macht sich auf, auf, um sich den Schmerz der Vergangenheit anzueignen, ihn zu verstehen, ihn wieder fruchtbar zu machen.

Frage: Von welchen alten Hüllen müssen wir uns befreien? Was bleibt am Ende übrig von unserer Welt?

von Leonie Wessling