Allgemein, Mannheimer SommerBild des Tages: Der Eröffnungstag – Ansichten eines Lastenfahrrads

28. Juni 2024 - 14:00

Ich bin aufgeregt und kann es kaum erwarten, bis mich endlich jemand aufschließt am Morgen. Heute ist Festivaleröffnungstag – es sind nur noch wenige Stunden, bis es losgeht und die Vorfreude schwirrt durch die Luft. Schweißige Hände schieben mich durch die Tür des Festivalzentrums hinaus in den Schlossgarten, wo die Gärtner schon die Bäume in Form schneiden und die Blumen nochmal frisiert werden. Mein Anhänger wird fleißig befüllt und dann wird auch schon etwas hektisch kräftig in die Pedale getreten. Staub wirbelt auf – und ich brause los. Als moderner Esel bin ich Obstlieferant, Wasserspender, Ausstattungstransport, Mülleinsammler, Putzschrank und Kaffeebar in einem. Ich fahre von Station zu Station und bahne mir einen Weg durch das Gewusel von Festivalmitarbeiterinnen und Schlosspark-Touristen. Dazwischen sind Künstlerinnen und Künstler im ganzen Garten verteilt, die ihre Installationen fertig stellen. Ihre Augen leuchten, wenn ich angerattert komme, denn ich bringe Gutes. Das heißt für sie: Kaffee. Im Wegfahren höre ich noch ihr Schlürfen, und wie mit ihm Ideen für die letzten Schliffe in Gang kommen. Ich schalte einen Gang hoch, denn ich habe noch viel zu tun. Die Schritte durch den Park werden schneller. Schilder werden aufgestellt, Plakate gehangen, Bühnen gebaut und Licht eingerichtet, Pläne überprüft und nervöse Hände gehalten, es werden Reden geprobt und Instrumente gestimmt. Und ich; mittendrin. Ich düse vom einen zum anderen, bringe letzte Lieferungen und Notfallbesorgungen, nehme müde Beine auf und kurve mit ihnen durch die brühende Hitze.
Und dann kommen die ersten Gäste an. Unauffällig schlängle ich mich zurück zu meinem Parkplatz, beobachte die ankommenden Abendgäste und genieße den Sonnenuntergang. Ich denke mir: Nicht jeder ist eine Violine. Meine Arbeit für heute ist getan und es ist Zeit, mich wieder in den Schatten zurückzuziehen.

von Selina Girschweiler